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Andreas Greiner - Game of Life: Mit Darwin gesprochen

In den 1970er Jahren erfand der Mathematiker John H. Conway ein Spiel, das er 'Game of Life' nannte. In einem unendlichen Raster kann jede Zelle einen von zwei Werten annehmen: Schwarz oder Weiß, Leben oder Tod. Der Wert jeder Zelle hängt nur von dem der benachbarten ab. Manche Szenarien führen zur Auslöschung, manche werden statisch, manche pendeln zwischen zyklischem Wachstum und Rückgang, während sich manche ewig weiterentwickeln. Es ist ziemlich schön zuzusehen.

Man kann das Spiel als Werkzeug verwenden, zum Beispiel zur Simulation der Ausbreitung eines Virus. Man kann eine Moral daraus ziehen. Natürlich ist sie zirkulär, weil sie auf vorher aufgestellten Regeln fußt. Vor allem aber beweist 'Game of Life', dass ein geschlossenes und vorhersehbares - predeterminiertes - System unendliche Variationen zulässt. Die Matrix von 'Game of Life' kommt also derjenigen unseres Spiels des Lebens relativ nahe. Sie ähnelt der Schöpfung eines kreativen Systems: einem eierlegenden Huhn.

Mit dem Aufkommen von KI und maschinellem Lernen hat die Unterscheidung zwischen Werkzeug und Automat, Natur- und Künstlichkeit an Aktualität gewonnen. Wo ziehen wir die Grenze, und gibt es überhaupt eine? In einem Interview erinnert Greiner an seine Motivation, Medizin zu studieren (er nahm bald seine Karriere als Künstler wieder auf). Er wollte verstehen, warum der menschliche Körper so ist, wie er ist, warum er die Schatten wirft, die er wirft, und die er im Aktzeichensaal gesehen. Was ist also der Mensch und warum?

Mit Darwin gesprochen, muss man sagen: Der Mensch ist nie - er entwickelt sich.

Andreas Greiner weist in eine ähnliche Richtung. Er lehnt jede Dichotomie ab und zeigt immer wieder die Künstlichkeit vermeintlich natürlicher Dinge wie dem modernen Zuchthuhn oder dem Großteil der deutschen Wälder auf. Begriffe wie 'Menschlichkeit', 'Natur' und 'Technik' sind fließend. Auch der der 'Kunst': Einmal deklarierte Greiner eine Fliege als Kunstwerk. Und er verfolgt mitunter einen aktivistischen Ansatz mit seiner Kunst, gründete eine Organisation, die Bäume pflanzt.

In "Game of Life", Greiners aktueller Ausstellung in der Galerie Kandlhofer, ist das zentrale Werk ein humanoider Roboter, der den Besucher:innen folgt und ihr Aussehen und Verhalten analysiert. Der Roboter trägt einen Bonsai auf sich. Seine Analysen erscheinen auf einem Monitor und werden von einer weiteren künstlichen Intelligenz in Form dreier Stimmen aufgegriffen. Man kann dem Gespräch lauschen, während man auf Thonet-Stühlen in einem Kaffehaus-ähnlichen Ambiente sitzt. Das Gespräch geht schnell in Meditationen über das Wesen von Leben und die Rolle von KIs über. Es wird recht bald langweilig. Maschinen neigen wie Menschen zur Wiederholung.

Als ich zum ersten Mal in der Ausstellung war, funktionierte der Roboter nicht; die Internetverbindung stockte. Jetzt ist der Rooter näher am Computer, und es läuft. Ein Punkt für die Menschheit: Wenn wir an Körper gebunden sind, nun, Maschinen sind es auch. Ein Punkt für die Körperlichkeit der Ausstellung: Das beruhigende Klackern der kleinen Paneele des 'Game of Life', und das Rauschen des Neustarts, wenn sich alle Felder neu kalibrieren.

Für den Bonsai ist ein Zelt aufgestellt. In ihm hängt eine Wärmelampe. Neben dem Zelt liegen zwei Solarmodule. Das Sonnenlicht, dass durch die Glasdecke der Galerie fällt, kann hier eingefangen, in Strom umgewandelt, an die Lampe weitergegeben und in Form von Licht und Wärme wieder abgegeben werden. Roboter und Bonsai passen genau in das Zelt. Wie der Roboter aufgeladen wird, ist nicht angezeigt. Dafür ist die Hardware hinter der KI als Computerschrank Teil der Ausstattung. Auf ihm steht ein kleiner Espressokocher. Theoretisch kann sie durch die Hitze des Rechners Wasser zum Kochen gebracht werden. Das kleinste Stück der Ausstellung schließlich, eine Münze, zeigt einen Marsrover beim Pflanzen einer Jungpflanze. Im Fall des Verkaufs des Roboters würde die Münze mit dem Bonsai eingesetzt werden. Womit die Umwandlung eines Baums in ein Kunstwerk in Geldwert zurück in einen Baum abgeschlossen würde. Die Kunst gewordene Fliege würde wieder Fliege werden.

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Andreas Greiner - Game of Life
19.01 - 08.03.2024

Galerie Lisa Kandlhofer
1040 Wien, Brucknerstraße 4
Tel: +43 1 5031167
Email: info@kandlhofer.com
http://www.kandlhofer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19, Sa 11-16 h


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