Peter Friedl - Teatro: Politische Sprechakte par excellence
Flankiert wird das Entree von Peter Friedls Ausstellung „Teatro“ von 4 „barracas“, also von kleinen mobilen Bühnen für das portugiesische Puppenspiel-Straßentheater Dom Roberto. Vom Künstler konzipierte Handpuppen lugen aus den „barracas“ hinaus oder liegen vor ihnen, gleichsam leblos, aber sofort zum Bespieltwerden bereit. Jede der Puppen „repräsentiert“ eine historische Persönlichkeit, die im portugiesischen Sprachraum in den letzten Jahrhunderten in unterschiedlicher Weise eine wichtige Rolle gespielt hat. So wartet da z. B. der Astronom Abraham Zacuto (1452 - ca. 1515) ebenso auf seinen möglichen Einsatz wie Eduardo dos Santos (1942 - ), der erste Präsident von Angola, oder der Kunstsammler und Ölbaron Calouste Gulbenkian (1869 – 1955). Gemeinsam ergeben die Figuren ein Ensemble, das die Geschichte einer lediglich durch die gemeinsame Sprache verbundenen Region als widerspruchsvolle Narration vorstellt, die sich eben nicht zu der einen „wahren“ und harmonischen Historie zusammenfügt.
Mit diesem Entree hat Friedl bereits das Leitmotiv seiner sehr sehenswerten Ausstellung intoniert: Wer oder was spricht für wen über welches Thema und in welcher Sprache – oder wer oder was spricht eben nicht. In dem Video „Report“ z. B., das vor zwei Jahren auf der documenta in Athen und Kassel für Aufsehen sorgte, tragen 25 in Athen lebende Menschen nacheinander Passagen aus Franz Kafkas „Bericht an eine Akademie“, 1917, vor. Vordergründig geht es in dieser Erzählung um die Menschwerdung des Affens „Rotpeter“, tatsächlich aber handelt es sich um die Parabel eines Künstlers und jüdischer Assimilation. So lässt sich dieser „Report“ nicht zuletzt auch als Reflexion über Flucht und Migration verstehen, die hier in Form einer polyglotten Collage daherkommt. Sprachen wie Farsi, Englisch und Arabisch etwa werden hier von den 25 Darstellern gesprochen, auf übersetzende Untertitel hat Friedl bewusst verzichtet.
Die Dinge lässt der Künstler gleich in mehreren Arbeiten sprechen bzw. schweigen, etwa die Tierkostüme in der Installation „Peter Fried“, 1998, oder einen Zigarettenautomat in „Dummy“, 1998, seinem kurzen Video für die documenta X. In seiner Serie „Rehousing“, 2012 – 2019, schließlich sprechen dezidiert ausgewählte, „hegemonial-relevante“ Häuser-Modelle. Das maßstabsgetreue Modell der Privatresidenz von Ho Chi Min in Hanoi findet sich in dieser Werkgruppe ebenso wie eine Nachbildung der Hütte von Martin Heidegger oder das Modell einer von Flüchtlingen in Berlin Kreuzberg während der „Flüchtlingskrise“ errichteten Baracke. Gemeinsam ist all diesen Häusern, dass sie mittels ihrer Architekturen beredt von politischen Ideologien und den konkreten Auswirkungen dieser sprechen.
Dank „Teatro“ verabschiedet sich Nicolaus Schafhausen von der Kunsthalle Wien mit einer konzentriert-intelligenten Ausstellung – kuratiert übrigens von Anne Faucheret und Vanessa Joan Müller – wie man sie nicht nur in Wien selten sieht.
22.03 - 09.06.2019
Kunsthalle Wien Museumsquartier
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