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BRAFA - Brussels Antiques and Fine Art Fair: Eine echte Freude

"We are weird. And normal!" Nun gut, dürfen sie auch sein. Immerhin sind sie Gilbert & George. Die Brafa, die Brüsseler Messe für Kunst und Antiquitäten, hat das Künstlerduo/paar eingeladen. Jetzt sitzen sie da, in ihrer einstudiert etwas naiv-tüddelig wirkenden Haltung, singen (!) und reden über ihre Kunst, das Leben und London. Nur nicht über den Brexit. Als dann ein italienischer Kollege doch noch danach fragt, sagt George, in jüngster Zeit würden sie eigentlich jede Pressekonferenz so beginnen: "Brexit, Brexit, Brexit. Trump, Trump, Trump." Und damit sei das Thema Politik abgearbeitet. Während ihrer Führung über die Messe werden sie dann aber doch noch politisch.

Denn die Brafa weiß der übermächtig erscheinenden Tefaf in der weiteren Nachbarschaft durchaus kreativ etwas entgegenzusetzen. Gleich fünf großformatige Werke von Gilbert & George aus dem Bestand der (nicht teilnehmenden) Londoner Galerie White Cube hat sie in den Hallen des ehemaligen Postbahnhofs Tour & Taxis installieren lassen, vor denen die Künstler so routiniert wie engagiert ihre Erklärungen abgeben. Über ihre Einstellung zu Sexualität, Religion und den Medien. Die letzten beiden sind natürlich schlecht. Erzählen die Herren ungerührt vor ungefähr 50 Journalisten, denen sie gerade ein Ständchen gehalten und einen Führung gegeben haben.
Doch wer könnte den beiden diese kleinen Mäkeleien älterer Herren übelnehmen, zumal in einem solchen Ambiente, zwischen all dem gedämpfter Glitzer edler Einrichtungsgenstände und zumeist hochdekorativer Kunst.

Die langgestreckten Hallen wirken wie ein nicht enden wollender großbürgerlicher Salon, mal in hellem Pastell, mal in dramatischem Schwarz, je nach Auslage. Die Gänge sind gefüllt mit nicht enden wollenden Reihen gedeckter Tische für das Galadinner später am Abend. Kultiviertes Geplauder, zwischendurch ein helles Lachen, Champagnergläser klirren leise, livriertes Personal serviert gehobenes Fingerfood und nebenbei wird darüber verhandelt, was demnächst über dem Sofa hängt, nobel Staub fängt oder im Garten Eindruck schindet. Ungefähr so muss man sich die drei (!) den geladenen Gästen vorbehaltenen Eröffnungstage vorstellen.

Tatsächlich ist der Besuch eine echte Freude, und auch an den gewöhnlichen Öffnungstagen macht es einfach Spaß, über diese Messe zu flanieren. Denn im Gegensatz zur Tefaf richtet sie sich vor allem an den privaten Sammler. Das heißt, es ist für fast jede und jeden etwas dabei. Sogar Comics, die in Belgien durchaus zur Hochkultur zählen. Dieser unaufgeregte Mix hat auch den Münchener Porzellanspezialisten Röbbig bewogen, der Biennale des Antiquaires in Paris den Rücken zu kehren und hier den Kontakt zum Publikum zu suchen. Es müssten ja nicht immer die musealen Highlights sein, erklärt er. Er wolle auch Dinge zeigen, die man besitzen und mit denen man leben kann. Die Brafa mit ihrem angenehmen Ambiente sei dafür der richtige Ort.

Und obwohl hier alles so gesetzt erscheint, lassen sich immer noch Entdeckungen machen. Whitford Fine Art aus London hat sich auf britische und belgische Abstrakte kapriziert. Bei ihnen gibt es unter anderem ein mittelformatiges zartes Lightwork von Paul van Hoeydonck von 1960 für bescheidene 33.000 Euro. Für Beträge in dieser Größenordnung lassen sich an anderen Ständen leider auch zeitgenössische Arbeiten kaufen, die auf qualitätsbewussten Kunstmessen nichts verloren haben – ein Phänomen, dass immer dann auftritt, wenn Messen für Kunst und Antiquitäten ihren Händlern erlauben, neben ihrem Fachgebiet (Möbel, Kunsthandwerk etc.) noch einige Objekte aktueller Bildender Kunst anzubieten. Messechef Harold t'Kint de Roodenbeke, selbst Händler für Moderne und Nachkriegskunst, weiß um das Problem und windet sich bei dem Thema ein wenig. Umso klarer ist seine Meinung zu der neuen Richtlinie der Konkurrentin Tefaf, nur noch Nicht-Händler als Jurymitglieder zuzulassen. Es sei zwar der Fairness unter den Kollegen wegen gut, wenn man auf Händler im Komitee verzichten könne. Doch sei das selten der Fall, weil Museumsleute und Wissenschaftler zwar das akademische Wissen und die Anschauung aus den eigenen Beständen hätten, nicht jedoch die Alltagserfahrung mit fremden Objekten und Fälschungen. Den Königsweg gibt es in dieser Sache wohl nicht. Aber solange die Brafa weiter Kurs hält, nicht nach Übersee expandiert und die Sammler aus der erweiterten Region Benelux, Frankreich, dem Rheinland und vielleicht noch London im Fokus behält, wird sie immer eine Reise wert sein.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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BRAFA - Brussels Antiques and Fine Art Fair
26.01 - 03.02.2019

Tour & Taxis
1000 Bruxelles, avenue du Port 86 C/ B
http://www.brafa.art
Öffnungszeiten: 11 - 19h


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